Sabin今年生日的时候在脸书发了一篇超长的“庆生”文,当时用Google翻译器英翻看了一下,发现文字很美,内容深刻又带着淡淡的忧伤。一直很想找德语大神把它翻译出来,直到找到了Morgenstern!!感谢Morgenstern🙏的翻译
先附上原文,会德语的童鞋可以练练阅读。
Vor wenigen Wochen fragte mich eine Zeitschrift, ob ich einen Text über eine Nacht verfassen könnte, die mein Leben verändert hat. Der Text erfüllte andere Erwartungen als die gestellten, deshalb hier.
Die gute Nacht.
Die Hausaufgaben waren, wie immer, nicht gemacht. Fifa 96 hatte eine verlockendere Wirkung als die Deutsch-Hausaufgabe. Das mit den Kommata würde ich sowieso nicht lernen, selbst wenn ich das jetzt gemacht hätte. Und Julia aus Reihe 1 würde auch davon
nicht imponiert sein- eher hätte ich jetzt schon anfangen sollen, für die 125er Aprilia zu sparen. Denn so ein materielles Motorrad hinterlässt wirklich Eindruck. Poesie erst, wenn die Unschuld des Verstandes schon Kontur gewonnen hat.
Keine Hausaufgaben gemacht- aber auf Dominik war immer Verlass. Und selten nahm unser Lehrer Herr Baron (rosa Polohemd) - nachdem man vorgelesen hatte - den direkten Tischnachbarn dran. Die ersten Male wunderte sich Dominik, dass ich komischerweise genau den Aufsatz vorgelesen habe, den er sich ebenfalls zuhause ausgedacht hatte, später brachte er gleich zwei verschiedene Ausführungen von zuhause mit. Im Gegenzug gab es Chips, Gummibärchen und ungesunde Getränke zu durchgespielten, sorglosen Nächten vor dem Computer.
In dieser Nacht putzte ich Zähne, wünschte allen eine gute Nacht, sprang ins Bett, setzte die Kopfhörer auf. „Liebestod“ aus Wagners Tristan und Isolde. Damals noch in der Soundtrackfassung von „Romeo & Juliet“. (Jahre später noch hatte ich die Frisur von Herrn DiCaprio, dafür aber kein Motorrad.)
Unter Wagners Wellen klingelte das Festnetztelefon im Flur. Ich schob den Kopfhörer zur Seite, um zu hören, wer da so spät anrief.
Am nächsten Tag fuhren wir zur Beerdigung nach Rumänien. Ein Mensch ist gestorben. Einer von den wenigen, die im Leben nichts anderes im Sinn haben, als Liebe zu geben und Frieden zu erkämpfen, einen immer ans Lächeln zu erinnern, indem es allein durch seine Anwesenheit schon da ist. Nun war das Lächeln erfroren in diesem Winter - am Sarg meines Opas zu stehen, meine Oma an der Hand, ich habe vorher nie verstanden, was Trauer ist, wie groß ein Schmerz sein kann, wenn ein Mitbewohner des Herzens auszieht. Sein Zimmer bleibt leer, wehe jemand rührt es an.
Dann gibt es Menschen, die solch ein Lächeln nicht kennen, die im Stande sind, Lebensfreude mit Intoleranz und Hass zu bespucken. In grausamsten Schattierungen treten sie ins Licht und hassen, werfen Feuer in das neue Zuhause Wehrloser, hinterlassen unzählige leere Zimmer in gebrochenen Herzen. Für eine postfaktische Verblendung, für eine Religion, eine Ideologie, einen Wahnsinn. Das Unfassbare hat viele Namen für die Respektlosigkeit gegenüber der Chance, dieses eine Leben, das man hat, mit aller Kraft zum Guten zu erheben und anderen dabei zu helfen, dies ebenfalls zu versuchen, für sich und für uns.
Seit 234 Tagen habe ich ein weiteres leeres Zimmer in mir. An dem Tag habe ich aufgehört zu rauchen, das habe ich meiner Oma versprochen. Es tut sehr weh, in dieses Zimmer zu gehen, ohne meine kleine Ente abknutschen zu können.
Ich kann nicht verstehen, wie Menschen im Stande sind, Hinterbliebenen vorsätzlich einen solchen Schmerz anzutun, der erst geht, wenn man selber auszieht.
Seit dieser Nacht, damals zwischen Tristan und Tod, bin ich um jeden Mitbewohner, der noch da ist, unendlich dankbar. Die Scheiße kommt noch früh genug.
Und zum Geburtstag wünsche ich mir nächstes Jahr ein Wahlergebnis, für das wir uns nicht schämen müssen.
Foto: Peter Pan / Robert Wilson / Berliner Ensemble copyright: lucie-jansch
先附上原文,会德语的童鞋可以练练阅读。
Vor wenigen Wochen fragte mich eine Zeitschrift, ob ich einen Text über eine Nacht verfassen könnte, die mein Leben verändert hat. Der Text erfüllte andere Erwartungen als die gestellten, deshalb hier.
Die gute Nacht.
Die Hausaufgaben waren, wie immer, nicht gemacht. Fifa 96 hatte eine verlockendere Wirkung als die Deutsch-Hausaufgabe. Das mit den Kommata würde ich sowieso nicht lernen, selbst wenn ich das jetzt gemacht hätte. Und Julia aus Reihe 1 würde auch davon
nicht imponiert sein- eher hätte ich jetzt schon anfangen sollen, für die 125er Aprilia zu sparen. Denn so ein materielles Motorrad hinterlässt wirklich Eindruck. Poesie erst, wenn die Unschuld des Verstandes schon Kontur gewonnen hat.
Keine Hausaufgaben gemacht- aber auf Dominik war immer Verlass. Und selten nahm unser Lehrer Herr Baron (rosa Polohemd) - nachdem man vorgelesen hatte - den direkten Tischnachbarn dran. Die ersten Male wunderte sich Dominik, dass ich komischerweise genau den Aufsatz vorgelesen habe, den er sich ebenfalls zuhause ausgedacht hatte, später brachte er gleich zwei verschiedene Ausführungen von zuhause mit. Im Gegenzug gab es Chips, Gummibärchen und ungesunde Getränke zu durchgespielten, sorglosen Nächten vor dem Computer.
In dieser Nacht putzte ich Zähne, wünschte allen eine gute Nacht, sprang ins Bett, setzte die Kopfhörer auf. „Liebestod“ aus Wagners Tristan und Isolde. Damals noch in der Soundtrackfassung von „Romeo & Juliet“. (Jahre später noch hatte ich die Frisur von Herrn DiCaprio, dafür aber kein Motorrad.)
Unter Wagners Wellen klingelte das Festnetztelefon im Flur. Ich schob den Kopfhörer zur Seite, um zu hören, wer da so spät anrief.
Am nächsten Tag fuhren wir zur Beerdigung nach Rumänien. Ein Mensch ist gestorben. Einer von den wenigen, die im Leben nichts anderes im Sinn haben, als Liebe zu geben und Frieden zu erkämpfen, einen immer ans Lächeln zu erinnern, indem es allein durch seine Anwesenheit schon da ist. Nun war das Lächeln erfroren in diesem Winter - am Sarg meines Opas zu stehen, meine Oma an der Hand, ich habe vorher nie verstanden, was Trauer ist, wie groß ein Schmerz sein kann, wenn ein Mitbewohner des Herzens auszieht. Sein Zimmer bleibt leer, wehe jemand rührt es an.
Dann gibt es Menschen, die solch ein Lächeln nicht kennen, die im Stande sind, Lebensfreude mit Intoleranz und Hass zu bespucken. In grausamsten Schattierungen treten sie ins Licht und hassen, werfen Feuer in das neue Zuhause Wehrloser, hinterlassen unzählige leere Zimmer in gebrochenen Herzen. Für eine postfaktische Verblendung, für eine Religion, eine Ideologie, einen Wahnsinn. Das Unfassbare hat viele Namen für die Respektlosigkeit gegenüber der Chance, dieses eine Leben, das man hat, mit aller Kraft zum Guten zu erheben und anderen dabei zu helfen, dies ebenfalls zu versuchen, für sich und für uns.
Seit 234 Tagen habe ich ein weiteres leeres Zimmer in mir. An dem Tag habe ich aufgehört zu rauchen, das habe ich meiner Oma versprochen. Es tut sehr weh, in dieses Zimmer zu gehen, ohne meine kleine Ente abknutschen zu können.
Ich kann nicht verstehen, wie Menschen im Stande sind, Hinterbliebenen vorsätzlich einen solchen Schmerz anzutun, der erst geht, wenn man selber auszieht.
Seit dieser Nacht, damals zwischen Tristan und Tod, bin ich um jeden Mitbewohner, der noch da ist, unendlich dankbar. Die Scheiße kommt noch früh genug.
Und zum Geburtstag wünsche ich mir nächstes Jahr ein Wahlergebnis, für das wir uns nicht schämen müssen.
Foto: Peter Pan / Robert Wilson / Berliner Ensemble copyright: lucie-jansch